Spieltheorie und Selbstüberlistung: Wie Gamification hilft, innere Konflikte zu lösen
Durch die Kombination von Spieltheorie und Gamification lässt sich der tägliche Kampf mit den eigenen Gewohnheiten strategisch meistern. In diesem Beitrag inspiriert durch Prof. Dr. Christian Rieck, erkunden wir, wie man mit der richtigen Struktur und spielerischen Anreizen langfristige Ziele erreichen und innere Konflikte überwinden kann.
GEDANKENMENSCHLICHKEIT
Jeremy Pape
10/9/20244 min lesen


Spieltheorie und Selbstüberlistung: Wie Gamification hilft, innere Konflikte zu lösen
Vor kurzem habe ich einen Podcast gehört, in dem Prof. Dr. Christian Rieck zu Gast war. Das Gespräch hat mich wirklich fasziniert und dazu gebracht, mich tiefer mit dem Thema Spieltheorie und der Selbstüberlistung zu beschäftigen. Rieck ist nicht nur Professor, sondern betreibt auch einen sehr interessanten YouTube-Kanal, den ich jedem empfehlen kann, der sich für die Anwendung von Spieltheorie in alltäglichen Situationen interessiert. Er erklärt dort auf eine extrem verständliche Art und Weise, wie diese Theorie nicht nur im wirtschaftlichen Kontext, sondern auch im persönlichen Leben angewendet werden kann.
Was mich besonders gefesselt hat, ist die Idee der Selbstüberlistung. Ich möchte diese Gedanken hier etwas vertiefen, denn sie lassen sich perfekt auf das anwenden, womit wir alle täglich kämpfen: innere Konflikte und das Überwinden von schlechten Angewohnheiten.
Was ist Selbstüberlistung in der Spieltheorie?
Die Spieltheorie beschäftigt sich normalerweise mit der Analyse von Entscheidungssituationen, in denen mehrere Akteure interagieren. Diese Akteure können Unternehmen, Staaten oder auch Menschen in ihrem Alltag sein. Aber was, wenn der „Akteur“ nicht nur eine Person, sondern verschiedene Versionen dieser Person ist? Genau hier kommt die Selbstüberlistung ins Spiel. Rieck beschreibt es so: In uns steckt nicht nur eine Person, sondern mehrere. Diese verschiedenen „Versionen“ von uns haben oft unterschiedliche Interessen, Ziele und auch Verhaltensweisen.
Um das zu verdeutlichen: Stell dir vor, Jeremy 1 ist deine organisierte, vernünftige Seite, die langfristig denkt. Jeremy 3 dagegen ist der Teil von dir, der am liebsten den ganzen Tag am Handy hängen würde und auf Instant Gratification (also sofortige Belohnungen) fixiert ist. Die beiden stehen im Konflikt. Während Jeremy 1 am liebsten produktiv sein möchte, denkt Jeremy 3 nur an den nächsten Social-Media-Post oder das neueste Handyspiel.
Den inneren Konflikt annehmen und navigieren
Statt diesen Konflikt zu bekämpfen oder zu ignorieren, ist der Schlüssel, ihn anzunehmen und strategisch zu lösen – und genau hier kommt die Selbstüberlistung ins Spiel. Es geht darum, die unterschiedlichen Interessen dieser „inneren Personen“ zu verstehen und diese so zu lenken, dass sie miteinander harmonieren. In der Spieltheorie würde man sagen, dass man eine Win-Win-Situation anstreben muss.
Ein spannender Gedanke dabei ist, dass man nicht gegen sich selbst kämpfen sollte, sondern die Umgebung so gestaltet, dass alle „Personen“ zufrieden sind. Ein Beispiel: Wenn Jeremy 1 möchte, dass du morgens ohne Ablenkung zur Arbeit gehst, wie schafft er es, Jeremy 3 – den handysüchtigen Teil – zu überlisten? Vielleicht hilft es, das Handy nachts in einen anderen Raum zu legen oder eine App zu installieren, die Ablenkungen blockiert. So wacht Jeremy 3 in einer Umgebung auf, die ihn gar nicht erst in Versuchung führt, und Jeremy 1 kann zufrieden zur Arbeit gehen.
Langfristige und kurzfristige Ziele in Einklang bringen
Ein weiterer Aspekt der Selbstüberlistung besteht darin, dass du es schaffen musst, deine kurzfristigen Impulse (wie das Bedürfnis, am Handy zu scrollen) mit deinen langfristigen Zielen (z.B. im Job erfolgreich zu sein) zu verbinden. Rieck betont in seinen Erklärungen oft, dass diese Balance der Schlüssel zur inneren Zufriedenheit ist. Es geht nicht darum, eine Seite vollständig zu unterdrücken, sondern den beiden Seiten Raum zu geben – aber zur richtigen Zeit.
Hier kann das Konzept der Gamification (oder Gamingfikation) helfen. Gamification bedeutet, Elemente und Prinzipien aus Spielen auf nicht-spielerische Kontexte anzuwenden, um Motivation und Engagement zu fördern. Stell dir vor, Jeremy 1 setzt spielerische Mechanismen ein, um Jeremy 3 zu motivieren. Zum Beispiel könnten kleine Belohnungen, wie Punkte oder Fortschrittsbalken, eingebaut werden, um produktives Verhalten zu fördern und den Anreiz zu erhöhen. Indem der Tag als eine Art „Spiel“ gestaltet wird, bei dem kleine Erfolge gefeiert werden können, fällt es Jeremy 3 leichter, sich auf langfristige Ziele einzulassen. Durch diese Art der Strukturierung wird der innere Konflikt minimiert, weil die kurzfristigen Belohnungen geschickt mit den langfristigen Zielen verknüpft werden.
Ein Ansatz, der mir hier besonders gut gefällt, ist das Konzept der strategischen Verzögerung: Wenn Jeremy 3 unbedingt ans Handy möchte, dann kann man ihm versprechen, dass er das auch darf – aber erst nach der Arbeit oder nach einer produktiven Phase. Indem du dir eine Belohnung in Aussicht stellst, bringst du die kurzfristige und die langfristige Version von dir auf einen Nenner.
Schluss
Selbstüberlistung ist ein mächtiges Werkzeug, um mit den inneren Konflikten umzugehen, die wir alle täglich erleben. Prof. Dr. Rieck hat mir durch seine Erklärungen klargemacht, dass es nicht darum geht, sich selbst ständig zu disziplinieren oder gegen sich zu kämpfen. Vielmehr ist es eine Frage der Spieltheorie: Wie können die verschiedenen Versionen von uns miteinander spielen, sodass alle ihre Ziele erreichen? Gamification kann dabei helfen, diese inneren Konflikte zu „spielen“ und auf spielerische Weise die richtigen Anreize zu setzen.
Wenn du also – wie ich – immer wieder mal an dir selbst zweifelst oder dich dabei ertappst, wie du in kurzfristigen Versuchungen versinkst, dann könnte die Selbstüberlistung der Schlüssel sein, um wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Ich selbst werde mich spätestens in sieben Tagen oder – wenn ich mich überliste ;) – schon früher mit einem neuen Blog melden. In diesen 7 Tagen werde ich gezielt auf die Anwendung dieser Prinzipien achten. Bis dahin bin ich gespannt, Prof. Dr. Riecks Buch „Anleitung zur Selbstüberlistung“ zu lesen. Toller Typ!