Guardiolas Dämonen: Der unerbittliche Kampf gegen die eigene Unvollkommenheit - Teil 2 von: Niederlagen? Inakzeptabel! Warum Erfolg der einzige Weg ist
FUSSBALLGEDANKENMENSCHLICHKEIT
Jeremy Pape
11/27/20243 min lesen


Guardiolas Dämonen: Der unerbittliche Kampf gegen die eigene Unvollkommenheit - Teil 2 von: Niederlagen? Inakzeptabel! Warum Erfolg der einzige Weg ist
Im ersten Teil dieses Blogs habe ich meine persönliche Philosophie zum Thema Sieg und Niederlage dargelegt. "Verlieren ist keine Option" – diese Maxime zieht sich durch mein Leben, treibt mich an, lässt mich nie zufrieden sein. Es ist ein innerer Kampf, ein ständiges Streben nach Perfektion, das mich manchmal an den Rand des Wahnsinns treibt.
Und genau diese Obsession, diese Unfähigkeit, Niederlagen zu akzeptieren, erinnert mich frappierend an Pep Guardiola. Der Mann ist ein Fußballgott, ein Visionär, der das Spiel neu erfunden hat. Aber hinter der Fassade des Genies lauern die Dämonen der Selbstzweifel, der Unzufriedenheit, des gnadenlosen Perfektionismus.
Guardiola ist ein Getriebener. Er kann nicht abschalten, nicht genießen. Jeder Fehlpass, jede vergebene Chance nagt an ihm. Sechs Spiele ohne Sieg – für einen Mann wie Guardiola ist das eine Katastrophe. In seinen Interviews wirkt er zerbrechlich, fast schon verzweifelt. Er spricht von Verletzungen, von Pech, aber man spürt, dass es tiefer geht. Die Niederlagen fressen an ihm, lassen ihn nicht los.
Erinnern wir uns an das Interview nach dem Spiel gegen Feyenoord, als er mit sichtbaren Kratzern im Gesicht vor die Presse trat. Auf die Frage nach der Verletzung antwortete er: "Yes, it's my finger here. With my nail. I want to harm myself." Ein schockierendes Geständnis, fast schon ein Hilferuf, der die ganze Tragik dieses Mannes offenbart. Guardiola ist gefangen in seinem eigenen Anspruch, in seiner Besessenheit vom Erfolg.
Pep Guardiola nach dem Champions League Spiel
Der Fluch des Perfektionismus
Guardiolas Perfektionismus ist Fluch und Segen zugleich. Er ist der Motor seines Erfolgs, aber auch die Quelle seines Leidens. Guardiola ist nie zufrieden, selbst bei Siegen findet er immer etwas zu kritisieren. Er ist wie ein Künstler, der sein Meisterwerk nie vollenden kann, weil er immer neue Fehler entdeckt, immer neue Details verbessern will.
Diese Unfähigkeit, sich mit dem Erreichten zufrieden zu geben, ist typisch für viele Genies. Sie sehen die Welt mit anderen Augen, erkennen Fehler und Schwächen, die anderen verborgen bleiben. Doch dieser Blick für das Unvollkommene kann auch zur Qual werden.
Taktische Sackgasse? - Das fehlende Fundament
Guardiolas Spielphilosophie basiert auf Kontrolle, auf Dominanz, auf perfekter Ballzirkulation. Doch in letzter Zeit scheint dieses System an seine Grenzen zu stoßen. Die Gegner haben sich angepasst, finden immer öfter Lösungen gegen Citys Pressing. Ein entscheidender Faktor für diese Probleme ist meiner Meinung nach das Fehlen von Rodri. Der Weltfußballer ist das Herzstück von Guardiolas System, der Anker im Mittelfeld, der defensiv absichert und offensiv die Fäden zieht.
Ohne Rodri fehlt City die Stabilität, die Balance. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Mit Rodri in der Startelf gewinnt City über 80% der Spiele, ohne ihn sinkt die Siegquote auf unter 60%. Es ist erschreckend, wie abhängig City von einem einzigen Spieler ist. Guardiola hat es versäumt, einen adäquaten Ersatz für Rodri zu finden
Vielleicht ist Guardiola in einer taktischen Sackgasse gelandet, weil ihm ein essentieller Baustein fehlt. Ohne Rodri ist das Fundament brüchig, das System anfällig.
Die mentale Komponente
Neben den taktischen Problemen spielt sicher auch die mentale Komponente eine Rolle. Die vielen Verletzungen, die fehlenden Siege – das alles hat Spuren hinterlassen. Die Mannschaft wirkt verunsichert, spielt nicht mehr mit der gleichen Leichtigkeit wie früher.
Guardiola muss es schaffen, seinen Spielern das Selbstvertrauen zurückzugeben. Er muss ihnen zeigen, dass Niederlagen zum Fußball dazugehören, dass man aus ihnen lernen kann.
Der "Forged Flow" und Guardiolas Dilemma
Im ersten Teil dieses Blogs habe ich das Konzept des "Forged Flow" vorgestellt. Es geht darum, sein eigenes Schicksal zu schmieden, seinen eigenen Weg zu gehen. Guardiola verkörpert diesen Gedanken wie kein Zweiter. Er hat den Fußball revolutioniert, seinen eigenen Stil geprägt.
Doch vielleicht ist er dabei zu verbissen, zu unflexibel geworden. Vielleicht muss er lernen, auch mal loszulassen, dem Fluss des Spiels zu vertrauen.
Ein Appell an Guardiola (und an mich selbst)
Pep, du bist ein Genie! Aber du musst lernen, auch mal Schwäche zu zeigen, Niederlagen zu akzeptieren. Du musst lernen, den Moment zu genießen, den Erfolg zu zelebrieren. Denn der Weg zum Gipfel ist lang und steinig, und man sollte die Aussicht unterwegs nicht vergessen.
Und auch an mich selbst geht dieser Appell. Ich muss lernen, meine Besessenheit zu zügeln, meine Selbstzweifel zu überwinden. Ich muss lernen, den "Forged Flow" nicht nur zu schmieden, sondern auch zu leben.
Denn am Ende zählt nicht nur der Erfolg, sondern auch der Weg dorthin. Und dieser Weg sollte nicht von Angst und Zweifel geprägt sein, sondern von Freude, Leidenschaft und dem Mut, auch mal Fehler zu machen.