Freiheit: Ein Gedanke zwischen Illusion und Wirklichkeit

Eine philosophische Antwort auf Volkmar Karstens Blog „Lebe dein Leben“: Warum wahre Freiheit eine Illusion sein könnte und wie wir unsere Zwänge bewusst gestalten können, um ein erfülltes Leben zu führen.

GEDANKENMENSCHLICHKEIT

Jeremy Pape

12/24/20244 min lesen

Freiheit: Ein Gedanke zwischen Illusion und Wirklichkeit

Lieber Volkmar und alle Leser,

zunächst einmal Frohe Weinachten🎅

Dein Blog über die Idee, das eigene Leben zu leben, hat mich direkt abgeholt –. „Lebe dein Leben!“ – Wer war bloß diese geniale Person, die dir diesen Denkanstoß gab? 😄

Doch so sehr ich deine Perspektive schätze, hat dein Text auch in mir den Wunsch geweckt, einen Schritt weiterzugehen. Während du überzeugend darlegst, wie du deinen Weg gefunden hast, möchte ich das Konzept der Freiheit, das du beschreibst, kritisch beleuchten. Sind wir jemals wirklich frei? Oder ist Freiheit am Ende nur eine Illusion? Während ich deinen Text las, überkam mich der Drang, dir zu antworten – nicht im Widerspruch, sondern im Dialog. Denn obwohl ich deine Perspektive nachvollziehen kann, sehe ich in deiner Geschichte und deinen Gedanken die Frage aufleuchten: Warst du wirklich frei?

Freiheit: Mehr als „ICH“

Dein Plädoyer für ein selbstbestimmtes Leben, in dem das „ICH“ den zentralen Fokus bildet, ist zweifellos inspirierend. Doch lass uns hier innehalten: Kann jemand, der sich bewusst gegen die Erwartungen anderer entscheidet, wirklich von diesen Erwartungen entkoppelt sein? Ist die bewusste Entscheidung, „anders“ zu sein, nicht ebenso eine Reaktion auf diese Normen?

Du beschreibst, wie du den gesellschaftlichen Erwartungen deiner Jugend entflohen bist und deinen eigenen Weg gegangen bist. Doch auch dieser Weg war geprägt von äußeren Umständen: von Arbeitsverhältnissen, sozialen Bindungen, Wohnsituationen. Du selbst gibst zu, dass du berufliche Zugeständnisse machen musstest. Selbst in den Momenten, in denen du dich gegen etwas entschieden hast, bliebst du eingebettet in ein Netz von Beziehungen, Zwängen und Notwendigkeiten.

Freiheit innerhalb von Grenzen

Dein Weg, dich von gesellschaftlichen Erwartungen zu lösen, ist beeindruckend. „Es ist mir egal, was die denken“ – ein Satz, der Mut erfordert. Aber lass uns tiefer graben: Kann jemand, der sich bewusst gegen Erwartungen entscheidet, wirklich unabhängig von ihnen sein?

Stell dir vor, ein Fisch sagt: „Ich schwimme, wohin ich will.“ Er mag sich frei fühlen, doch bleibt er im Wasser. Seine Bewegungen sind begrenzt durch das Medium, das ihn trägt. Ist das nicht auch mit uns so? Wir bewegen uns in einem Meer von kulturellen Normen, ökonomischen Zwängen und biologischen Voraussetzungen. Jede Entscheidung, die wir treffen, ist ein Produkt dieser Bedingungen – ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht.

Du schreibst:

„Ich habe gelernt, Termine abzusagen oder einfach nicht wahrzunehmen, die mir schon im Vorfeld unangenehm waren.“

Das ist zweifellos eine Form der Selbstbestimmung. Aber auch hier stellt sich die Frage: Warum waren dir diese Termine unangenehm? Sind nicht auch solche Gefühle – Abneigung, Unbehagen – das Ergebnis von Prägungen, von Erfahrungen, die wir nicht selbst gewählt haben?

Die Illusion der absoluten Freiheit

Lass uns noch philosophischer werden: Was bedeutet Freiheit überhaupt? Oft verstehen wir sie als das Fehlen von Zwängen. Doch Zwänge sind nicht immer äußerlich. Manche der größten Einschränkungen liegen in uns selbst: in unseren Ängsten, Gewohnheiten und unbewussten Mustern.

Ein Beispiel: Stell dir vor, du stehst vor einem Tisch mit zwei Kuchen – einem Schokoladenkuchen und einem Zitronenkuchen. Du wählst den Schokoladenkuchen, weil du Schokolade liebst. Aber warum liebst du Schokolade? War diese Vorliebe deine bewusste Wahl, oder ist sie das Ergebnis deiner Kindheit, deiner Biologie, vielleicht sogar deiner Gene?

Selbst wenn wir das Gefühl haben, frei zu entscheiden, könnten unsere Entscheidungen letztlich durch Kräfte gelenkt werden, die außerhalb unserer Kontrolle liegen.

Ein weiteres Beispiel, das mich immer wieder fasziniert: die moderne Konsumgesellschaft. Viele von uns glauben, wir entscheiden selbst, was wir kaufen oder tragen. Aber wie oft werden diese Entscheidungen von Werbung, Trends oder subtilen sozialen Normen beeinflusst? Die Freiheit, „anders“ zu sein, wird häufig durch Produkte oder Lebensstile kanalisiert, die genau dafür entworfen wurden.

Freiheit und Verantwortung

Ich fand einen Gedanken in deinem Blog besonders spannend:

„Denn letztlich muss ich alles ertragen und ausbaden, was ich in meinem Leben tue.“

Hier zeigt sich eine wichtige Wahrheit: Freiheit und Verantwortung gehen Hand in Hand. Selbst wenn wir nicht vollkommen frei sind, tragen wir dennoch die Verantwortung für unsere Entscheidungen – und die Konsequenzen, die daraus entstehen.

Doch genau hier liegt eine paradoxe Schönheit: Vielleicht besteht die wahre Freiheit nicht darin, alle äußeren und inneren Zwänge zu überwinden, sondern darin, diese Zwänge anzuerkennen und bewusst mit ihnen umzugehen.

Freiheit: Ein Gedanke für die Gemeinschaft

Ein weiterer Aspekt, den ich ansprechen möchte, ist die soziale Dimension der Freiheit. Du betonst, dass es wichtig ist, das eigene Leben zu leben und sich nicht um die Meinungen anderer zu scheren. Aber ich frage mich: Ist das „Lebe dein Leben“ wirklich ein isolierter Akt? Oder leben wir nicht immer in Beziehung zu anderen?

Wenn ich mich entscheide, meinen eigenen Weg zu gehen, beeinflusst das zwangsläufig die Menschen um mich herum. Freiheit ist nie rein individuell – sie ist eingebettet in ein Netz von Beziehungen, Abhängigkeiten und Verpflichtungen. Vielleicht ist die größte Freiheit nicht, allein und unabhängig zu sein, sondern bewusst in Gemeinschaft zu leben und dabei einen Ausgleich zwischen Selbstverwirklichung und Mitgefühl zu finden.

Freiheit als bewusste Illusion

Volkmar K., dein Blog hat mich erstmals :D, wirklich zum Nachdenken gebracht. Du hast einen Weg gefunden, der für dich funktioniert, und das ist bewundernswert. Doch während ich deine Worte las, konnte ich nicht aufhören, über die Illusion der absoluten Freiheit nachzudenken. Daher hier eine kurze bündige Antwort, die eigentlich noch viel mehr fragen öffnet. Vielleicht ist es keine Antwort, sondern ein ungefragter Dialog zum weiterdenken. Hihi.

Vielleicht ist Freiheit letztlich nicht die Abwesenheit von Zwängen, sondern die Fähigkeit, unsere Zwänge zu erkennen und bewusst mit ihnen umzugehen. Und vielleicht ist das Streben nach Freiheit nicht das Ziel, sondern der Weg selbst – ein nie endender Dialog mit uns selbst, unserer Umwelt und den Kräften, die uns prägen.

Danke für deinen Denkanstoß. Ich hoffe, meine Gedanken regen dich genauso zum Nachdenken an wie deine mich.

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